Herr Gelpke, Ihr Lebenslauf liest sich wie ein spannendes Buch über einen Menschen, dem es in jungen Jahren in der Schweiz zu eng wurde. Ist da was dran?
Ja, da ist was dran. Meinen Horizont zu erweitern hat mir gutgetan. Aus meiner Erfahrung inspiriert der Blick in die Ferne ungemein. Dies im Sinne des Blickes über das Meer oder vom Gipfel eines Berges. Im übertragenen Sinne könnte dies auch als «Blick über den Tellerrand» bezeichnet werden. Hindernisse, die den Horizont verdecken, können sich eher nachteilig auf die Mentalität der Menschen auswirken.
Die Frage, wie ein Schweizer zum Meer kommt stelle ich Ihnen nicht mehr. Ihre Antwort: «Ich fahre dahin» gefällt mir sehr («Aeschbacher» SRF Archiv 2011). In welchem Verhältnis stehen Sie heute zur Schweiz?
Aufgewachsen und zur Schule gegangen bin ich in Zürich. Mein Lebensweg führte mich anschliessend weg aus der Schweiz und nicht mehr zurück. Geblieben ist ein wichtiger Bezug zum Kanton Graubünden, dort teilen wir uns mit einer weiteren Familie ein Haus. Für mich bedeutet diese Region ein Stück Heimat, hier fühle ich eine starke Bindung zur Natur. So gesehen mein Kontinuum zur Schweiz.
Sie nehmen mit der Cape Race ein erhebliches unternehmerisches Risiko auf sich. Das Schiff wurde mit grossem Aufwand und gutem Auge für viele Details liebevoll restauriert. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?Schiffe haben mich schon seit jeher begeistert. Während meinen Forschungsprojekten als Meeresbiologe habe ich auch viele Monate an Bord von kleinen und grossen Schiffen verbracht. – Nun muss ich ein wenig ausholen:
In einem Schaufenster einer Apotheke entdeckte ich ein Modell des Schwesterschiffes der Cape Race. Dies ist schon länger her, muss 1998 gewesen sein. Lange später entdeckte ich dann die Cape Race in einem Reisekatalog. Da habe ich angerufen und mich nach dem Schiff erkundet. Zwei Wochen später kam der Anruf des Besitzers. Ein serbischer Zahnarzt aus New York, von ihm habe ich das Schiff erworben. Hört sich alles verrückt an, nicht wahr? Für mich war der Kaufentscheid ein eher romantischer Ansatz, meine Leidenschaft für die Seefahrt zu leben als ein kommerzieller Plan.
Sie vergleichen auch das Meer und die Berge als Refugien für intensive Naturerlebnisse. Mit unseren Skitourenreisen kombinieren wir diese beiden Elemente. Haben Sie sich über meinen Anruf vor einem Jahr gefreut?
Da haben Sie beim Aeschbacher-Interview aber gut hingehört. Ja, Sie sind der erste Bergführer, den ich kennengelernt habe. Und dazu einer, der meine Leidenschaft für Schiffe und das Meer teilt und mit uns zusammenarbeiten wird. Für mich gibt es viele Parallelen zwischen der Seefahrt und dem Bergsteigen. In meinen jungen Jahren war ich oft in den Bergen unterwegs. Verlassen wir den sicheren Hafen – oder die Hütte – müssen wir uns voll und ganz auf unser Aufgabe und die Naturelemente konzentrieren. Wir tauchen voll und ganz in diese Umgebung ein und blenden alles, was nichts damit zu tun hat, vollständig aus. Dies ist ein faszinierender Zustand, bei sich und in der Natur zu sein.
Welchen Ratschlag möchten Sie als bekannter Meeresbiologe unseren zukünftigen Gästen an Bord der «Cape Race» mit auf den Weg geben?
Geniesst alles, was es in dieser arktischen Umgebung zu sehen gibt. Diese Gletscherwelt noch erleben zu dürfen, das ist ein grosses Geschenk und unser Privileg. Wie auch die Gletscher in den Alpen schmilzt auch in den polaren Regionen das Eis immer schneller. Ich wünsche mir zudem, dass sich die Gäste an Bord in die von uns besuchten Regionen verlieben. Was wir lieben schätzen wir – und was wir schätzen schützen wir.
Ende Juni habe ich die Cape Race mit der Crew an Bord in Kiel besucht. Wie schafften Sie es Herr Gelpke, so tolle Menschen für eine Zusammenarbeit zu motivieren?
Ja, von Ihrem Besuch habe ich auch erfahren. Leider war ich abwesend. Die gesamte Crew teilt unsere Begeisterung für die polaren Regionen. Das sind alles Insider aus der Szene der Polarfahrer. Zur fachlichen Qualifikation muss bei uns an Bord der Geist, der Spirit für die Sache mitschwingen. Unseren Projektleiter Maarten konnte ich glücklicherweise mit dem Kauf der Cape Race vom damaligen Reiseveranstalter «mit übernehmen».
Wir sind aktuell mit der Cape Race an der dritten Umrundung von Spitzbergen dran. Dies als eines von wenigen Schiffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen habe ich meine Besatzung die letzten Monate weiterbeschäftigt. Wir sind alle überglücklich, wieder zur See zu fahren.
Herr Gelpke, für dieses inspirierende Gespräch bedanke ich mich sehr. Vielleicht sind Sie bei einer der geplanten Skitourenreisen ja sogar mit dabei. Wie Sie mir erzählten, haben Sie das Skifahren nicht verlernt. Das Interview führte unser Produkte Manager Jürg Haltmeier |